Publisher's Synopsis
In der vorliegenden Publikation wird erst mal die Situation der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft in Niederösterreich und dem nördlichen Burgenland untersucht. In zahlreichen lebensgeschichtlichen Interviews mit überlebenden ZwangsarbeiterInnen aus Russland, Ungarn aber auch zum Beispiel Frankreich gehen die AutorInnen der Frage der Lebensbedingungen von ZwangsarbeiterInnen in der Landwirtschaft nach. Land-Zwangsarbeit war in die Makro-Strukturen des NS-Systems ebenso wie in die Mikro-Strukturen agrarischer Lebenswelten im Reichsgau Niederdonau eingebettet. Im nationalsozialistischen "Doppelstaat" wurde die Entscheidung gefällt, die zum Militär einberufenen Männer nicht vorrangig durch InländerInnen, sondern vor allem durch Arbeitskräfte aus dem Ausland zu kompensieren. Die Behörde des Reichsstatthalters Niederdonau koordinierte, in enger Kooperation mit der NSDAP-Gauleitung, die manchmal konfliktbehafteten Kontakte zwischen allgemeiner Verwaltung und Sonderbehörden. Die für den "Ausländereinsatz" wichtigsten Institutionen der agrarischen Lebenswelten stellten die Bauern- und Gutswirtschaften dar; deren Sub-Institutionen, Betrieb und Haushalt, dienten zugleich der Produktion kriegswichtiger Agrargüter und der Reproduktion eines Großteils der dafür nötigen Arbeitskräfte. Im Raum Niederdonau, wo neben vereinzelten Groß- und Gutsbetrieben vor allem Klein- und Mittelbetriebe vorherrschten, bestanden vor Beginn des "Ausländereinsatzes" unterschiedliche Arrangements landwirtschaftlicher Produktion und Reproduktion: die Gesinde-Familien- und Gesindebetriebe in den hügeligen und gebirgigen, klimatisch rauheren Regionen des Westens, deren Schwerpunkt auf Grünland- und Forstwirtschaft lag, sowie die Taglöhner-Familien- und Taglöhnerbetriebe in den flachen und hügeligen, klimatisch milderen Regionen des Ostens, wo Getreide-, Hackfrucht- und Weinbau vorherrschten. Vor diesem Hintergrund begann in Niederdonau gegen Jahresende 1939, nach dem deutschen Angriff auf Polen, der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kriegsgefangenen, ZivilarbeiterInnen sowie ungarischen Jüdinnen und Juden waren an das strukturelle Arrangement von NS-System und agrarischen Lebenswelten gekoppelt. Der NS-Staat versorgte die landwirtschaftlichen Betriebe über die mit einem Vermittlungsmonopol ausgestatteten Arbeitsämter mit Arbeitskräften aus dem Ausland.